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Ein neues Wort hat den Weg in unsere Alltagssprache gefunden, im Gepäck ein wahres Absurditätenkabinett und die Lizenz zum Shitstorm. Gendern, so heißt er, der letzte Stein der Online-Weisen, und ist, seiner grammatikalischen Einordnung zum Trotz, alles andere als ein „schwaches Verb“: sieben Buchstaben mit maximaler Sprengkraft und massig Aussagekraft darüber, wie unsere Gesellschaft heute tickt. Aber von Anfang an …


Kickstart: Gendern für Dummies

Wie beinahe jedes klickwerte Label ist auch der Gender-Begriff aus dem Englischen entlehnt. Dort steht „gender“ zunächst einmal für das soziale Geschlecht in Unterscheidung zu „sex“, der Bezeichnung für das durch äußere und innere Merkmale festgelegte physische Geschlecht. So spricht man – im Deutschen wie im Englischen – über Gender-Stereotypen (typisch Mann, typisch Frau) und Gender-Identitäten. Die Unterscheidung Sex vs. Gender findet zum Beispiel Eingang in die kritische Diskussion über festgefahrene Rollenbilder und hilft bei der Aufklärung über Transgender-Identifikationsprozesse. Was aber nun will Gendern als Tätigkeitswort? Laut Wikipedia bezeichnet das Verb „im allgemeinen Sinne die Berücksichtigung oder Analyse des Geschlechter-Aspekts in Bezug auf eine Grundgesamtheit von Personen, etwa in Wissenschaft, Statistik und Lehre“ und benennt besonders im Deutschen „einen geschlechterbewussten Sprachgebrauch, der im Interesse der Gleichbehandlung der Geschlechter mit Veränderungen der herkömmlichen schriftlichen und gesprochenen Sprache einhergehen soll.“ (Quelle: URL: de.wikipedia.org/wiki/Gendern, Stand: 13.07.2021). In der Umsetzung führt das zu einer Vielzahl von kommunikativen Auswüchsen. 


Reality Check: von Sternchen, Doppelpunkten und Vorstandsetagen

Ob es nun die „Mitarbeiter*innen“ sind oder die „Leser:innen“, die „UserInnen“ oder „jede/-r Einzelne/-n“: Aktuell verwenden Befürworter des Genderns verschiedene Behelfskonstruktionen, um das sogenannte generische Maskulinum („die Mitarbeiter“, „die Lehrer“) zu ersetzen und beiden Geschlechtern gerecht zu werden. Dies eröffnet neue Problematiken: Zum einen werden weder Versal-Setzungen noch die Verwendung von Sonder- oder Satzzeichen innerhalb von Wörtern bisher vom Duden akzeptiert. Zum zweiten bleiben, allen Bemühungen zum Trotz, die Gender-Indikatoren binär: Sie berücksichtigen Leserinnen und Leser, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber eben nicht jene Menschen, die sich selbst nicht-binär – divers – identifizieren (in Stellenanzeigen seit einiger Zeit durch die Ergänzung „d“ gewürdigt). Im englischen Sprachraum kommt für Letztgenannte meist das Pronomen „they“ zum Einsatz. Auch dazu fehlt im Deutschen ein entsprechend anerkanntes Pendant.

Eines ist klar: Der Kampf um die Gleichstellung aller Menschen ist längst nicht ausgefochten. Erst seit 1977 dürfen Frauen ohne Genehmigung ihrer Ehemänner arbeiten; 100 Jahre Frauenwahlrecht wurden im Jahr 2019 gefeiert. 2015 sorgte eine Statistik für Aufsehen, laut der weniger Frauen MDax-Vorständen angehören als Männer mit dem Vornamen Thomas. Die Gender Pay Gap, die Kluft in der Entlohnung weiblicher und männlicher Mitarbeiter auf den gleichen Positionen, ist nach wie vor eklatant. Es bleibt also ganz alltagspraktisch viel zu tun, bis allen Menschen nicht nur auf dem Papier des Grundgesetzes dieselben Rechte zugesprochen werden.

Wogegen wir uns in unserer eigenen Kommunikation verwehren, sind gezwungene Unterbrechungen des natürlichen Schreib- und Sprachflusses. Wir haben außerdem festgestellt: Selbst bei Gallionsfiguren der Gender-Bewegung schleichen sich immer wieder Inkonsequenzen ein, weil eben mit einer nicht-selbstverständlichen, verkopften Sprache hantiert wird. Die Folge: Die Kommunikation verliert ihre Leichtigkeit und – gerade für die Werbung fatal – Aufmerksamkeit wird von der eigentlichen Botschaft auf das Gender-Thema umgelenkt. Im Kontext von Werbung und Marketing entstehen derartige Sprachverrenkungen außerdem allzu oft nicht aus voller Überzeugung, sondern sind motiviert durch die Angst vor dem Shitstorm, der in der heutigen Cancel Culture bei jeder Minimalabweichung vom PC-Kurs droht.

 

Unsere Empfehlung: Gleichberechtigung leben statt vorgeben

Neben der Nachhaltigkeit bleibt die Gleichberechtigungs-Thematik eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. Das sollten auch und gerade werbende Unternehmen berücksichtigen, und zwar im Handeln wie in der Kommunikation. Fragen Sie sich als Unternehmer doch einmal selbst, wie Ihr Beitrag zur Gleichstellung aussieht: Wie hoch ist der Anteil an Frauen, die nach der Geburt eines Kindes ins Unternehmen zurückkehrt? Wie ist der Umgang mit Vätern, die sich für eine Elternzeit entscheiden? Werden Männer und Frauen für gleiche Arbeit gleich entlohnt? Werden homosexuelle Kolleginnen und Kollegen im Team uneingeschränkt und selbstverständlich akzeptiert? Wir raten in Fragen wie diesen zur bewussten Auseinandersetzung und zu offenen Gesprächen auch innerhalb des Teams. 

Was Sie z. B. auf Ihrer Website kommunizieren wollen, ist letztendlich Ihre Entscheidung. Gerade im Bereich Recruiting kann es sich jedoch bezahlt machen, klar Position zu beziehen. Nach wie vor besteht – abgesehen von Stellenanzeigen (hier drohen ansonsten kostspielige Klageverfahren) – keine Verpflichtung zur Berücksichtigung von Männern, Frauen und Diversen in jedem Text. Dennoch vergeben Sie sich nichts, wenn Sie Kolleginnen und Kollegen ansprechen. Persönlich raten wir dabei von künstlichen Konstruktionen mit Unterstrichen, Binnen-Versalien oder Sternchen ab. Unser Tipp: Achten Sie vor allem darauf, was Sie zu sagen haben. Sprechen Sie das Thema Gleichberechtigung explizit an, wenn dies zur Identität Ihrer Marke passt. Wissen Sie, wofür Sie stehen und wie Sie dies zum Ausdruck bringen wollen. Denn: Am Ende zählt nicht nur am Arbeitsplatz der faire Umgang miteinander deutlich mehr als jedes noch so gut gemeinte Sternchen, jeder Doppelpunkt und jeder Unterstrich. 

 

 

 

 

Autoren-Information:

Volker Weitkamp ist Gründer und Geschäftsführer der B2B-Marketing-Agentur weitkamp marketing und selbst seit mehr als 20 Jahren Spezialist für B2B-Werbung. Unter dem Motto „B2B. Marken. Kommunikation.“ hat sich weitkamp marketing seit April 2017 auf die Beratung und Unterstützung von B2B-Unternehmen in den Bereichen Kommunikation und Markenbildung spezialisiert.

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